Ich habe in letzter Zeit viel über alte Zeiten nachgedacht. Das Aussortieren alter Fotos, die ich seit Jahren in Fotokisten von links nach rechts räume und doch nie angucke, hat sein Übriges getan. So viele vertraute Gesichter, so viele Erinnerungen, so viele Geschichten. Ich gebe zu, dass ich vieles bewusst verdrängt hatte, vieles ist aber auch ganz unbewusst im Strom der Zeit verschwommen und dann untergegangen. Namen, Ereignisse, Erinnerungen. Lustig fand ich, dass beim Anblick manch eines alten Bekannten, der Name gleich mit auftauchte, obwohl ich mich ohne Gesicht beim besten Willen nicht mehr an ihn oder sie erinnert hätte.
Warum ich das erzähle? Weil meine Erfahrungen als Schriftstellerin ganz eng mit dieser alten Zeit verbunden sind und ich jetzt, heute, staunend vor den Veränderungen in dieser Branche stehe.
Früher (und ich fühle mich sehr alt, wenn ich Sätze mit diesem Wort beginne) waren die Dinge eben anders. Selber seine Geschickten zu verlegen hatte damals noch einen bitteren, ja fast mitleidigen Nachgeschmack. Wer sein Buch selbst rausbrachte konnte keinen Verlag finden. Seien wir ehrlich, so war das damals.
Heute ist es eine bewusste Entscheidung. Indie-Autoren schießen wie Pilze aus dem Boden und immer mehr konventionell veröffentlichte Schreiberlinge entscheiden sich, einen anderen Weg einzuschlagen. Ich gehöre auch dazu.
Natürlich könnte ich versuchen, einen Verlag von meinen Projekten zu überzeugen. Natürlich könnte ich Zeit damit verbringen, die mittlerweile elektronischen Postfächer der großen Verlagshäuser mit meinen Buchideen zu füllen und dann noch mehr Zeit damit verbringen, auf eine Antwort zu warten. Die durchschnittliche Wartezeit bei den „Großen“ liegt zwischen drei und sechs Monaten, denn die Verlage werden von Anfragen regelrecht überschwemmt. Ich verstehe das. Auch der Tag eines Verlagsangestellten hat nur vierundzwanzig Stunden und obwohl ich nicht glaube, dass Menschen in dieser Branche nach genormten acht den Griffel fallen lassen und nach Hause gehen, haben auch sie ein Anrecht auf Privatleben. Deswegen verstehe ich das. Aber trotzdem habe ich keine Lust mehr zu warten. Von telefonischen Anfragen wird meist abgeraten (auch das verstehe ich), also frage ich mich, womit ich wohl lieber meine Zeit verbringe. Mit Warten oder doch besser damit, meine Werke selber in die Welt zu schicken? Ich weiß, wie ich mich entschieden habe.
Ich bin nicht enttäuscht von meinen Verlagserfahrungen wie manche meiner Kollegen. Viele schlagen den unkonventionellen Weg ein, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Das habe ich nicht. Ich hatte von Anfang an Glück mit all meinen Verlagen, habe tolle Menschen kennengelernt und fühlte mich stets gut aufgehoben. Natürlich gab es auch Probleme. Probleme gibt es immer und überall, aber in Großen und Ganzen habe ich mich bei den Verlagen immer sicher gefühlt.
Trotzdem mache ich mich gerade allein auf den Weg. Keine Lektoren, die für mich den Text noch mal durchgehen, keine Grafikdesigner, die sich um mein Cover kümmern, keine Marketingabteilung, die sich um die Werbung kümmert und nein, keine Vorauszahlung, um meine Kosten zu decken. You can always learn to fly, you never know until you do it, singt L.P. in Tightrope und irgendwie passt dieser Song zu meinem Neuanfang.
Aber es ist auch aufregend und spannend und ich versuche, es Schritt für Schritt zu genießen.
Gestern habe ich mein allererstes Indie-Buchkind auf die erste Station seiner Reise geschickt. Ein Cover brauche ich noch und daran arbeite ich gerade und ich habe auch schon eine grobe Vorstellung, wie ich werbetechnisch vorgehen möchte. Die offiziellen und notwendigen Vorgänge sind fast abgeschlossen und seit gestern schreibe ich an einer neuen Geschichte. Die dritte, soviel kann ich sagen, denn Nummer zwei wartet bloß noch auf seinen letzte Überarbeitung und ist dann auch schon fertig.
Es wird ein spannendes Jahr und ich meine neue Fotokiste ist eine digitale. Schaut mal rein in mein Instagram. Sobald es was zu zeigen gibt, taucht es dort auf. Follower sind immer willkommen.